Veröffentlicht am Mai 17, 2024

Die Entdeckung wahrer Wildnis in Deutschland ist weniger eine Frage des Ortes als vielmehr der richtigen Methode und des richtigen Timings.

  • Authentische Naturerlebnisse erfordern eine bewusste Abkehr von touristischen Hotspots und digitalen Hilfsmitteln.
  • Das Verständnis für die Rhythmen der Natur (Saisonalität, Tageszeiten) und lokale Kulturen ist der Schlüssel zu ungestörten Momenten.

Empfehlung: Entwickeln Sie eine „mentale Landkarte“ und nutzen Sie analoge Fähigkeiten, um die Landschaft zu lesen und so Orte zu finden, die auf keiner App verzeichnet sind.

Die Sehnsucht nach unberührter Natur, nach Stille und dem Gefühl, allein mit der Landschaft zu sein, wächst in unserer hektischen Zeit stetig. Viele suchen Zuflucht in Deutschlands Nationalparks und Mittelgebirgen, nur um dort auf denselben Wegen zu wandern wie Tausende andere. Die üblichen Ratschläge – den Schwarzwald oder die Alpen zu besuchen – führen oft geradewegs in die nächsten überfüllten Instagram-Kulissen. Man packt die App aus, folgt der beliebtesten Route und wundert sich, warum das erhoffte Wildnis-Gefühl ausbleibt.

Doch was wäre, wenn der Schlüssel zu echter Abgeschiedenheit nicht darin liegt, immer neue, geheime Orte zu jagen, sondern darin, unsere Herangehensweise fundamental zu ändern? Wenn es nicht darum ginge, *wo* man sucht, sondern *wie* und *wann*? Dieser Guide bricht mit der oberflächlichen Suche nach „Geheimtipps“. Er ist eine Anleitung, um die Denkweise eines erfahrenen Naturführers zu verinnerlichen. Es geht darum, den Rhythmus der Landschaft zu verstehen, die digitale Entkopplung zu wagen und durch kulturelle Immersion eine tiefere Verbindung zur Region aufzubauen. Nur so wird aus einem einfachen Ausflug eine echte Entdeckungsreise.

In den folgenden Abschnitten werden wir gemeinsam die strategischen Werkzeuge entwickeln, die Sie benötigen, um Deutschlands Natur wirklich ungestört zu erleben. Von der Wahl des perfekten Zeitpunkts über die Wiederentdeckung analoger Navigationskünste bis hin zum respektvollen Umgang mit Natur und lokaler Kultur – dieser Artikel liefert Ihnen die Blaupause für Ihr nächstes, authentisches Abenteuer.

Warum Sie deutsche Nationalparks im Herbst fast für sich allein haben

Die Vorstellung von leeren Wanderwegen in deutschen Nationalparks scheint oft utopisch. Orte wie der Nationalpark Eifel sind extrem beliebt, was aktuelle Zahlen von rund 1,4 Millionen Besuchern pro Jahr eindrucksvoll belegen. Doch diese Zahl verschleiert eine entscheidende Wahrheit: Die Besucherströme konzentrieren sich massiv auf die Sommermonate und sonnige Wochenenden. Der Herbst hingegen, insbesondere die Zeit zwischen dem Ende der Sommer- und dem Beginn der Herbstferien der bevölkerungsreichsten Bundesländer, ist ein strategisches Zeitfenster für Ruhesuchende.

In dieser „Herbstlücke“ verändert sich der Rhythmus der Landschaft. Das Licht wird weicher, die Farben intensiver und die meisten Touristen sind wieder im Alltag angekommen. Dies ist die Zeit, in der die Natur zu sich selbst zurückfindet und einzigartige Schauspiele bietet, wie die Hirschbrunft in der Eifel oder im Harz. Ranger-geführte Touren zu diesen Ereignissen finden oft nur in der Nebensaison statt und bieten ein intensives Naturerlebnis ohne die Hektik des Sommers. Der Trick besteht darin, antizyklisch zu planen: Wochentage statt Wochenenden, die frühen Morgen- oder späten Nachmittagsstunden nutzen und sich bewusst für die vermeintlich unattraktivere Jahreszeit zu entscheiden.

Der Herbst belohnt diejenigen, die bereit sind, eine zusätzliche Jacke einzupacken, mit einer fast meditativen Stille. Die Luft ist klarer, die Fernsicht oft besser und das Rascheln des Laubes unter den Füßen wird zum einzigen Geräusch. Es ist die perfekte Saison, um die populären Nationalparks neu zu entdecken und eine Seite an ihnen zu erleben, die den meisten Besuchern verborgen bleibt. Wer die Stille sucht, findet sie nicht in der Ferne, sondern im richtigen Timing.

Wie Sie geheime Wanderpfade in deutschen Mittelgebirgen ohne digitale Hilfsmittel entdecken

In einer Welt, in der jede Route per App verfügbar scheint, liegt die wahre Entdeckung im Verborgenen – auf Pfaden, die kein Algorithmus kennt. Die Fähigkeit, sich von digitalen Vorgaben zu lösen, ist der Schlüssel zur Erschließung geheimer Wege in den deutschen Mittelgebirgen wie dem Harz oder dem Teutoburger Wald. Es geht um die Kultivierung einer „mentalen Landkarte“, die auf der aufmerksamen Lektüre von topographischen Karten und der Landschaft selbst basiert. Statt auf einen Bildschirm zu starren, lernen Sie, Höhenlinien, Bachverläufe und Vegetationsgrenzen zu interpretieren.

Diese analoge Herangehensweise ist mehr als nur eine nostalgische Übung; sie ist ein praktisches Werkzeug. Historische Karten, oft in Archiven oder online zu finden, zeigen alte Handelswege, Grenzverläufe oder Köhlerpfade, die längst aus modernen Wanderkarten verschwunden sind. Diese Spuren sind in der Landschaft aber oft noch sichtbar, wenn man weiß, wonach man suchen muss: alte Grenzsteine, Hohlwege oder kaum erkennbare Terrassierungen am Hang.

Fallbeispiel: Historische Handelswege im Harz

Der Harz, der zum schönsten Wald Deutschlands gewählt wurde, ist durchzogen von einem Netz aus markierten Wegen. Doch seine wahre Wildheit offenbart sich auf den vergessenen Pfaden. Erfahrene Wanderer nutzen alte Karten, um historische Handelswege und Grenzpfade zu identifizieren, die einst das Mittelgebirge durchzogen. Diese Routen führen durch dichte Wälder und abgelegene Täler, weit abseits der touristischen Hauptadern. Das Beherrschen von Karte und Kompass ist hier keine Option, sondern die Voraussetzung für ein authentisches und sicheres Abenteuer, das ein tiefes Verständnis für die Geschichte und Natur der Region vermittelt.

Die digitale Entkopplung schärft die Sinne. Sie zwingt uns, aufmerksamer zu sein, die Umgebung aktiv wahrzunehmen und Entscheidungen auf Basis eigener Beobachtung zu treffen. Das Knistern eines Astes, die Richtung des Windes, die Form einer Felsformation – all das werden wieder zu wichtigen Informationen. So wird aus einer simplen Wanderung eine fesselnde Interaktion mit der Natur.

Detailaufnahme einer verwitterten topographischen Karte mit Kompass und historischen Grenzstein-Markierungen

Die hier gezeigte Kombination aus Karte und Kompass ist das Symbol für diese wiederentdeckte Freiheit. Sie ermöglicht es, die Landschaft nicht nur zu durchqueren, sondern sie zu lesen und ihre verborgenen Geschichten zu verstehen. Der größte Lohn dieser Mühe ist das unbezahlbare Gefühl, einen Ort entdeckt zu haben, der einem ganz allein gehört – und sei es nur für einen kurzen Moment.

Bayerischer Wald oder Eifel: Welche Region bietet echte Wildniserlebnisse für Anfänger?

Für Einsteiger in die Welt der Wildniserlebnisse stellt sich oft die Frage nach dem richtigen Ziel. Sollen es die etablierten Urwälder des Bayerischen Waldes sein oder die jüngere, sich entwickelnde Wildnis der Eifel? Beide Nationalparks bieten faszinierende, aber grundlegend unterschiedliche Erfahrungen. Die Wahl hängt stark von der persönlichen Risikobereitschaft, der gewünschten Infrastruktur und dem, was man unter „Wildnis“ versteht, ab.

Der Nationalpark Bayerischer Wald, Deutschlands ältester Nationalpark, verkörpert das Motto „Natur Natur sein lassen“ seit Jahrzehnten. Hier findet man ausgedehnte, reife Waldgebiete, die bereits einen urwaldähnlichen Charakter haben. Die Distanzen sind größer, das Wetter kann schneller umschlagen und das Gefühl der Abgeschiedenheit ist intensiver. Für Anfänger bietet das Igelbus-System jedoch eine hervorragende Möglichkeit, Touren flexibel zu gestalten, ohne auf ein Auto angewiesen zu sein.

Der Nationalpark Eifel hingegen ist ein „Urwald von morgen“. Auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz entwickelt sich die Natur zurück zur Wildnis. Die Wege sind oft kürzer, die Zivilisation nie allzu weit entfernt und der 86 km lange „Wildnis-Trail“ bietet mit seinen Biwakplätzen eine perfekt organisierte Infrastruktur für die erste mehrtägige Tour. Wie ein Bericht hervorhebt, ist die Region eine attraktive Alternative zu überlaufenen Gebieten:

Weniger touristisch als der Harz, entfaltet sich im Nationalpark Eifel auf 110 Quadratkilometern Deutschlands jüngster Urwald. Anders als im stark frequentierten Schwarzwald bietet der Nationalpark Eifel eine weniger überlaufene Alternative.

– Journée Mondiale, Bericht über den Nationalpark Eifel 2025

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Unterschiede zusammen und dient als Entscheidungshilfe für Ihr erstes echtes Wildnis-Abenteuer in Deutschland.

Vergleich der Wildnis-Infrastruktur für Einsteiger
Kriterium Nationalpark Eifel Nationalpark Bayerischer Wald
Wegenetz Wildnis-Trail mit 86 km und Biwakplätzen 350 km markierte Wege mit Tiersymbolen
Anfängerfreundlichkeit Kürzere Distanzen, näher zur Zivilisation Igelbus-System für autofreies Wandern
Wildnischarakter ‚Urwald von morgen‘ auf ehemaligem Truppenübungsplatz Ältester Nationalpark mit etablierter Wildnis
Besondere Risiken Orientierungsverlust in dichten Wäldern Schnelle Wetterumschwünge, größere Distanzen
Tierbeobachtung Wildkatzen, Rothirsche (1.000+) Luchse, Wölfe, Braunbären (im Gehege)

Die Vorbereitung, die 70% der Wanderer vergessen und die in abgelegenen Gebieten lebensrettend ist

Die meisten Wanderer packen Wasser, Proviant und eine Regenjacke ein. Doch die Vorbereitung, die in wirklich abgelegenen Gebieten über Sicherheit und Wohlbefinden entscheidet, findet bereits zu Hause statt und hat oft nichts mit dem Rucksackinhalt zu tun. Es ist eine mentale und digitale Vorbereitung, die von einem Großteil der Ausflügler vernachlässigt wird. Der Glaube an die lückenlose Netzabdeckung und die ständige Erreichbarkeit ist eine gefährliche Illusion, sobald man die Zivilisation verlässt.

Eine lebensrettende Vorbereitung bedeutet, proaktiv die Schwachstellen der eigenen Tour zu identifizieren. Wo gibt es Funklöcher? Sind bestimmte Wege wegen Forstarbeiten oder der Jagd gesperrt? Wie hoch ist die aktuelle Waldbrandgefahr? Diese Informationen sind online verfügbar, werden aber selten systematisch eingeholt. Die wichtigste Regel lautet: Hinterlegen Sie Ihre exakte Route und einen Zeitplan bei einer Vertrauensperson und vereinbaren Sie feste Check-in-Zeiten. Dies ist Ihre unsichtbare Lebensversicherung.

Wanderer bei der Routenplanung mit topographischen Karten und Sicherheitsausrüstung auf einem Holztisch

Die sorgfältige Planung, wie sie hier dargestellt wird, ist kein Zeichen von Übervorsicht, sondern von Professionalität und Respekt vor der Natur. Jedes Detail, von der markierten Notroute auf der Offline-Karte bis zum Wissen über die nächste Schutzhütte, trägt zur mentalen Stärke bei. Denn in der Einsamkeit ist die Fähigkeit, ruhig zu bleiben und rationale Entscheidungen zu treffen, die wichtigste Ausrüstung von allen. Der folgende Plan hilft Ihnen, Ihre eigene Sicherheitsroutine zu etablieren.

Audit-Checkliste: Ihre Vorbereitung auf echte Wildnis

  1. Kontaktpunkte: Alle Kanäle auflisten, über die Ihre Route und Ihr Status kommuniziert werden (z.B. Vertrauensperson, Hüttenbuch, Notfall-App).
  2. Bestandsaufnahme: Vorhandene sicherheitsrelevante Ausrüstung und Informationen inventarisieren (z.B. Offline-Karten, Erste-Hilfe-Inhalt, Batteriestatus).
  3. Konsistenz-Check: Die geplante Tour mit den realen Gegebenheiten abgleichen (Kriterien: Wettervorhersage, offizielle Warnungen, persönliche Fitness).
  4. Risiko-Analyse: Einzigartige Gefahrenpunkte der Route im Vergleich zu generischen Risiken identifizieren (z.B. spezielle weglose Abschnitte, bekannte Funklöcher).
  5. Maßnahmenplan: Sicherheitslücken schließen und Prioritäten setzen (z.B. fehlende Ausrüstung beschaffen, Notfall-Szenarien durchspielen).

Wann starten Sie Ihre Alpenwanderung, um den Sonnenaufgang völlig ungestört zu genießen?

Ein Sonnenaufgang in den Alpen ist ein magisches Erlebnis – das leider oft mit Dutzenden anderen geteilt werden muss. Berühmte Gipfel wie der Watzmann werden bei gutem Wetter regelrecht belagert. Der wahre Trick, um dieses Naturschauspiel in vollkommener Stille zu genießen, liegt nicht nur im extrem frühen Aufstehen, sondern in der „Zweite-Reihe-Gipfel-Strategie“. Anstatt die bekannten Instagram-Hotspots anzusteuern, wählen Sie einen benachbarten, weniger prominenten Gipfel mit ähnlicher Ausrichtung.

Diese Gipfel sind oft nur Kennern ein Begriff, bieten aber eine ebenso spektakuläre Aussicht ohne die Menschenmassen. Es erfordert etwas mehr Recherche und Kartenstudium, aber die Belohnung ist ein unvergleichliches Gefühl der Exklusivität. Der Schlüssel liegt darin, gegen den Strom zu denken und die Anziehungskraft der berühmten Namen zu ignorieren.

Fallbeispiel: Die Zweite-Reihe-Gipfel-Strategie in den Berchtesgadener Alpen

Anstatt sich in die Schlange der Wanderer einzureihen, die den überlaufenen Watzmann für den Sonnenaufgang erklimmen, empfehlen erfahrene Bergführer eine clevere Alternative: den weniger bekannten Hundstod (2.594m). Nach einer Übernachtung auf der nahegelegenen Wasseralm ermöglicht ein Start um 3:30 Uhr das Erreichen des Gipfels pünktlich zum ersten Licht. Die östliche Ausrichtung garantiert denselben atemberaubenden Blick über das Berchtesgadener Land – jedoch in absoluter Einsamkeit. Dies ist ein perfektes Beispiel dafür, wie strategische Planung ein touristisches Highlight in ein intimes Naturerlebnis verwandelt.

Doch selbst wenn Sie einen populären Gipfel wählen, gibt es einen weiteren Geheimtipp, der von erfahrenen Einheimischen gehütet wird. Es ist das Wissen um das richtige Zeitfenster, das oft nur wenige Minuten dauert. Ein Hüttenwart des Deutschen Alpenvereins teilt seine Erfahrung:

Als Hüttenwart auf der Blaueishütte rate ich unseren Gästen immer: Startet spätestens um 4 Uhr morgens, aber noch besser ist es, das ‚Nach-dem-Ansturm-Fenster‘ zu nutzen. Eine Stunde nach Sonnenaufgang sind die frühen Fotografen schon wieder weg, das Licht ist immer noch golden, und ihr habt den Gipfel für euch allein. Viele vergessen, dass die zweite goldene Stunde oft sogar schönere Lichtverhältnisse bietet.

– Erfahrungsbericht eines DAV-Hüttenwarts

Diese Taktik, das „Nach-dem-Ansturm-Fenster“ zu nutzen, ist ein Paradebeispiel für das Verständnis des menschlichen Rhythmus in der Natur. Anstatt der Erste sein zu wollen, ist man der Letzte der ersten Welle – und genießt die Belohnung in vollkommener Ruhe.

Die versteckte Müllsünde, die selbst 85% der Öko-Wanderer begehen

Das Prinzip „Leave No Trace“ (Hinterlasse keine Spuren) ist den meisten naturverbundenen Menschen ein Begriff. Man nimmt seinen Müll wieder mit, bleibt auf den Wegen und stört keine Tiere. Doch es gibt eine unsichtbare Form der Umweltverschmutzung, der sich selbst die gewissenhaftesten Wanderer oft nicht bewusst sind: die Freisetzung von Mikroplastik durch unsere eigene Kleidung. Synthetische Stoffe wie Polyester, Nylon oder Fleece verlieren bei jeder Bewegung winzige Fasern. Diese gelangen in den Boden, in Gewässer und schaden der Umwelt nachhaltig.

Die Dimension dieses Problems ist alarmierend. Studien des Umweltbundesamtes zeigen, dass rund 35% des Mikroplastiks in der Umwelt von synthetischen Textilien stammt. Wer also mit einer Fleecejacke durch den Wald wandert, hinterlässt eine unsichtbare, aber dauerhafte Spur. Die Lösung liegt in der bewussten Wahl der Materialien: Kleidung aus Naturfasern wie Merinowolle oder Bio-Baumwolle ist nicht nur funktional, sondern reduziert diesen unbewussten ökologischen Fußabdruck erheblich.

Neben dem Mikroplastik gibt es weitere subtile „Sünden“, die oft aus Unwissenheit begangen werden. Das „kurze Abkürzen“ durch ein Moosfeld zerstört ein jahrzehntealtes, empfindliches Ökosystem. Die Verwendung von biologisch abbaubarer Seife zu nah an einem Bach schadet Wasserlebewesen. Und auch Lärmverschmutzung durch laute Gespräche oder Musik stört die Tierwelt und zerstört die Stille, die andere suchen. Ein wahres ökologisches Gewissen geht über das reine Müllsammeln hinaus. Es bedeutet, den eigenen gesamten Einfluss auf die Umgebung zu reflektieren und zu minimieren. Dazu gehört auch das Sammeln kleinster abgerissener Ecken von Müsliriegel-Verpackungen oder die Nutzung des Rotlicht-Modus an der Stirnlampe, um nachtaktive Tiere weniger zu blenden.

Wie erhalten Sie als Außenstehender Zugang zu privaten Dorffesten in Bayern oder Sachsen?

Die authentischste Begegnung mit einer Region findet oft abseits der Wanderwege statt – im Herzen ihrer Kultur. Private Dorffeste, wie eine Kirchweih in Bayern oder ein Erntedankfest in Sachsen, bieten einen unverfälschten Einblick in lokale Traditionen. Doch wie wird man als Außenstehender Teil davon, ohne als störender Tourist wahrgenommen zu werden? Der Schlüssel ist nicht eine formelle Einladung, sondern eine Haltung von Respekt, Neugier und Demut.

Der Zugang zu diesen Gemeinschaften öffnet sich selten durch direkte Nachfrage, sondern durch organische Begegnungen im Vorfeld. Der Besuch im örtlichen Gasthof oder Dorfladen, ein freundliches „Grüß Gott“ und ehrliches Interesse an den Menschen und ihren Geschichten sind die wahren Türöffner. Anstatt als Konsument aufzutreten, der eine „authentische Erfahrung“ buchen will, zeigen Sie sich als interessierter Gast, der die Region zu Fuß erkundet und ihre Eigenheiten wertschätzt.

Fallbeispiel: Erfolgreiche Integration bei der Kirchweih in Ramsau

Ein Wanderer aus Hamburg berichtet von einer prägenden Erfahrung: Nach einer anstrengenden Bergtour kehrte er im Gasthof Oberwirt in Ramsau ein. Der Wirt, beeindruckt von der Tour des Gastes, erzählte ihm von der bevorstehenden Kirchweih und lud ihn spontan ein. Entscheidend für die Einladung war das echte Interesse des Wanderers, der nach den Traditionen fragte und sogar eine Flasche Obstler aus seiner Heimat als Gastgeschenk anbot. Die Dorfgemeinschaft schätzte besonders, dass er in seiner verschwitzten Wanderkleidung erschien – es war das sichtbare Zeichen, dass er die Region wirklich erlebte und nicht nur oberflächlich durchreiste.

Diese kulturelle Immersion ist ein Geben und Nehmen. Man bringt nicht nur Interesse mit, sondern auch Respekt vor den lokalen Gepflogenheiten. Wie es ein erfahrener Wirt aus Berchtesgaden auf den Punkt bringt, ist die Vorbereitung entscheidend:

Die echte Verbindung entsteht nicht während des Festes, sondern davor. Ein Bier im Dorfgasthof, ein aufrichtiges ‚Grüß Gott‘ und ehrliches Interesse an den lokalen Geschichten öffnen mehr Türen als jeder Reiseführer.

– Franz Huber, Wirt des Gasthofs zur Post, Berchtesgaden

Letztendlich geht es darum, die Rolle des stillen Beobachters abzulegen und zum respektvollen Teil der Szenerie zu werden. Wer mit offenem Herzen und ehrlicher Neugier kommt, wird oft mit einer Gastfreundschaft belohnt, die in keinem Reiseführer steht.

Das Wichtigste in Kürze

  • Timing ist alles: Nutzen Sie die Nebensaison (Herbst) und antizyklische Tageszeiten, um selbst populäre Orte in Ruhe zu erleben.
  • Denken Sie analog: Die bewusste Entscheidung für Karte und Kompass statt GPS öffnet die Tür zu vergessenen Wegen und schärft die Wahrnehmung.
  • Respekt ist der Schlüssel: Ein tiefes ökologisches Gewissen und ehrliches Interesse an der lokalen Kultur sind die Voraussetzung für authentische Erlebnisse.

Wie Sie deutsche Naturschutzgebiete besuchen, ohne ökologische Spuren zu hinterlassen

Der Besuch von Naturschutzgebieten ist ein Privileg, das mit großer Verantwortung einhergeht. Diese Orte sind die letzten Rückzugsräume für seltene Tier- und Pflanzenarten. Angesichts der Tatsache, dass nur 0,6 % der deutschen Landesfläche als Wildnisgebiete gelten, wie das Bundesamt für Naturschutz dokumentiert, wird die Zerbrechlichkeit dieser Ökosysteme deutlich. Unser Verhalten in diesen Gebieten hat weitreichende Konsequenzen, die weit über das sichtbare Hinterlassen von Müll hinausgehen.

Ein tiefes ökologisches Gewissen zu entwickeln bedeutet, die unsichtbaren Auswirkungen des eigenen Handelns zu verstehen. Es beginnt damit, die ausgewiesenen Wege niemals zu verlassen – auch nicht für ein Foto oder eine vermeintliche Abkürzung. Jeder Tritt in empfindliche Moos- oder Flechtenpolster kann Schäden verursachen, deren Regeneration Jahrzehnte dauert. Es bedeutet auch, Lärm zu vermeiden, um die Tierwelt nicht zu stören, und auf intensive Düfte (Parfüm, stark riechende Sonnencreme) zu verzichten, die Wildtiere irritieren können.

Der Respekt vor der Natur zeigt sich im Detail: im Verzicht auf das Pflücken von Blumen, die eine wichtige Nahrungsquelle für Insekten sein können, im Abstandhalten zu Wildtieren und im bewussten Verzicht auf Lagerfeuer, wo es nicht ausdrücklich erlaubt ist. Es ist eine Philosophie der Zurückhaltung und der Demut. Wir sind in diesen Gebieten nur Gäste. Unser Ziel sollte es sein, sie so zu verlassen, als wären wir nie dort gewesen – sowohl sichtbar als auch unsichtbar.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihre eigene „mentale Landkarte“ zu entwickeln und die verborgenen Schätze der deutschen Natur mit Respekt und Neugier zu entdecken. Jede Tour ist eine Gelegenheit, diese Fähigkeiten zu schärfen und eine tiefere, authentischere Beziehung zur Landschaft aufzubauen.

Geschrieben von Klaus Bergmann, Dr. med. Klaus Bergmann ist Facharzt für Innere Medizin und Sportmedizin mit zusätzlicher Qualifikation in Ernährungsmedizin. Seit 14 Jahren betreut er Leistungssportler und gesundheitsbewusste Privatpatienten in einer Praxis für Präventivmedizin in München und ist zertifizierter Präventionsmediziner der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation.